Robert Steinhäuser wuchs in einer scheinbar stabilen Familie mit einem technikbegeisterten Vater und einer karriereorientierten Mutter in einer bürgerlichen Wohnung in Erfurt auf. Äußerlich wirkte alles normal. Doch unter der Oberfläche brodelte ein Gemisch aus stillem Ärger, unerfüllten Erwartungen und zunehmender Einsamkeit, das schließlich in einer Katastrophe mündete.
Seine Eltern, Günter und Christel Steinhäuser, erweckten stets den Eindruck, ihrem Sohn einen klar definierten Lebensweg zu ermöglichen. Trotz seiner früheren schulischen Schwierigkeiten erhielt Robert eine zweite Chance auf dem Gymnasium; im Nachhinein hielt seine Mutter dies für „vielleicht zu viel verlangt“. Sie bezeichnete diese Entscheidung später als „einen schrecklichen Fehler“. Möglicherweise war Robert überfordert, was ihn dauerhaft unglücklich machte. Von dem stillen Kampf waren sie sich damals nicht bewusst.
Robert Steinhäuser – Persönliches Profil
Merkmal | Information |
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Vollständiger Name | Robert Steinhäuser |
Geburtsdatum | 22. Januar 1983 |
Geburtsort | Erfurt, Deutschland |
Todesdatum | 26. April 2002 |
Eltern | Günter Steinhäuser (Ingenieur), Christel Steinhäuser (Krankenschwester) |
Geschwister | Bruder: Peter Steinhäuser |
Letzter Schulbesuch | Gutenberg-Gymnasium Erfurt (Schulausschluss im Sept. 2001) |
Waffenzugang | Mitglied im Schützenverein Domblick (seit Okt. 2000) |
Bekannte Tat | Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt |
Quelle |
Was wie eine düstere Allegorie wirkt, begann mit alltäglichen Routinetätigkeiten. Selbst nach seinem Schulabschluss im Herbst 2001 packte Robert jeden Morgen seine Schultasche und sein Mittagessen und verließ das Haus. Es war eine bemerkenswert beständige, fast beunruhigend anspruchsvolle Routine. Seine Eltern glaubten monatelang, ihr Sohn würde regelmäßig am Unterricht teilnehmen. Diese bewusst geschaffene Normalität war nicht nur eine Lüge, sondern schützte auch vor möglichen Nachfragen, Enttäuschungen und der Wahrheit.
Es war ein sehr trauriger Moment, als sein Bruder Peter nach der Tat das Reinraumzimmer betrat. Es war bemerkenswert ordentlich. Quittungen für Waffenkäufe wurden neben einem Rucksack voller Munition gefunden – stumme Zeugen einer wohlüberlegten Eskalation. Peter erkannte sofort, wie ernst die Lage werden würde, und musste seinen Eltern sofort davon erzählen. Solche Erlebnisse prägen das Leben und prägen sich nachhaltig ein.
Obwohl die Familie Steinhäuser die Öffentlichkeit nicht aktiv suchte, wich sie ihr auch nicht aus. In vielen Gesprächen zeigten sie, wie schwierig es ist, die Balance zwischen elterlicher Liebe, Blindheit und Hilflosigkeit zu finden. Rückblickend erklärte der Vater, wie sein Sohn beträchtliche Beträge vom Konto abgehoben hatte. Auf Nachfrage wurde ihm mitgeteilt, dass das Geld auf ein Sparkonto mit höheren Zinsen überwiesen werden sollte. Diese Erklärung erschien angesichts von Roberts früheren Handlungen plausibel. Heute ist es offensichtlich: Das Geld wurde für den Kauf einer Waffe verwendet. Dieses Vertrauen, das damals plausibel erschien, erwies sich als tödlich.
Zudem wurde das Online-Verhalten des Teenagers immer auffälliger. Robert verbrachte übermäßig viel Zeit vor dem Computer, was seine Mutter schließlich in Verzweiflung trieb und dazu brachte, sämtliche Kabel aus der Wand zu reißen. Die digitale Flucht faszinierte die Menschen jedoch weiterhin. Viele Experten glauben, dass übermäßiger Medienkonsum besonders gefährlich ist, wenn er mit gewalttätigen Videospielen und sozialem Rückzug einhergeht. Obwohl diese Einschätzung damals nicht allgemein anerkannt war, wurde sie inzwischen wissenschaftlich bestätigt.
Rückblickend erscheint seine Aufnahme in den Schützenverein im Oktober 2000 besonders besorgniserregend. Sowohl die Waffe (eine Glock 17) als auch über 1.000 Schuss Munition wurden legal erworben. Auch heute noch gibt es Bedenken, dass ein junger Mann mit psychischer Instabilität Zugang zu solchen Drogen hat. Damals wurde dieser Fehler im System eklatant offensichtlich und löste eine landesweite Diskussion über Waffenkontrolle und Verantwortung aus.
Die Eltern reflektierten in Interviews mit Reportern häufig ihre eigene Rolle. Hätten sie früher eingreifen müssen? Müssen strengere Vorschriften erlassen werden? Nicht nur innerhalb der Familie Steinhäuser, diese Fragen sind auch heute noch aktuell. Tragische Fälle wie der von Adam Lanza in den USA und der von Tim Kretschmer in Winnenden weisen ein ähnliches Muster auf: junge Männer mit Zugang zu Waffen, soziale Isolation, emotionale Unreife und Eltern, die zwischen Ignoranz und Vertrauen schwankten.
Robert selbst zeigte in seinen jüngeren Jahren eine Reihe widersprüchlicher Eigenschaften. Obwohl er als humorvoll und schlagfertig galt, war er auch cholerisch und leicht reizbar. Er benutzte eine Spielzeugpistole und die Worte „Ich mache dich fertig“, um einen Lehrer während eines Schulausflugs anzugreifen; dieser Vorfall wurde damals als Teenager-Fauxpas abgetan. Rückblickend scheint es jedoch ein frühes Warnsignal gewesen zu sein, das ignoriert wurde.
Das Schweigen – das Schweigen zwischen Eltern und Kind – ist ein besonders bezeichnendes Element dieser Geschichte. Das Wichtigste blieb trotz ihres täglichen Umgangs, ihrer gemeinsamen Routine und ihres gemeinsamen Wohnsitzes unausgesprochen. Ein Sohn, der emotional distanziert ist, ein Teenager, der heimlich eine Waffe trägt, oder ein Schüler, der die Schule schwänzt. Diese Stille war nicht bedeutungslos; sie war vielmehr gefährlich still.